Sakrale Pixel im stählernen Kristall
Ein Kristall für das Zillertal
Feierlich eingeweiht wurde Ende September die weithin sichtbare Capella Granata, die an einem Felsvorsprung am Ufer des Speichersees am Penkenjoch, oberhalb von Finkenberg im Zillertal gelegen ist. Der Name der Kapelle verweist aufs Granatschürfen, mit dem Josef Hofer, der Urgroßvater des Bauherrn der Kapelle, Josef Brindlinger, begonnen hat. In der Natur kommt das Granatgestein in Form eines Rhombendodekaeders vor, den der Tessiner Architekt Mario Botta auch zur gestaltgebenden Form der Kapelle erwählte.
2011 kontaktierte der Zillertaler Unternehmer Brindlinger den international tätigen Architekten Mario Botta mit dem Wunsch, eine Kapelle für den seligen Engelbert Kolland zu planen, einem Zillertaler Franziskaner, der 1860 in Damaskus den Märtyrertod erlitten hat. Josef Brindlinger erhielt in kürzester Zeit eine positive Antwort und nach zweijähriger Planungsphase konnte am 10. Juli dieses Jahres, dem Todestag des seligen Märtyrers, mit dem Bau begonnen werden.
Bei der Einweihung der Kapelle zeigte sich Mario Botta beeindruckt, wie sich der kompakte Sakralbau in die Bergwelt des Zillertals einfügt. Als Tessiner habe er ohnehin eine recht enge Beziehung zu den ihn stets umgebenden Bergen, meint Botta und so verstehe er seine Architektur als ein Totem, das den Abschluss einer Landschaft akzentuiere und als Gegenpol zur Natur zu sehen sei. So ist es für ihn nur konsequent, dass Architektur sich von der Natur abheben und im Gegensatz zu ihr stehen muss. „Abheben“ im wahrsten Sinne lässt die Kapelle der hohe Betonsockel, der ihre Verankerung im Felsen ermöglicht und auf dem der kompakte, mit Cortenstahl verkleidete Bau ruht, dessen erste Spuren der Verwitterung mit den Farben der Natur kontrastieren.
Der Eingang der Kapelle befindet sich im Sockelgeschoss, von dem eine Treppe in den 20 qm großen Andachtsraum hinauf führt. Durch die zenitale Öffnung in der Decke strömt Licht von oben ins Innere, ein zweites Fenster in Kreuzform befindet sich über dem Altar. Der klar strukturierte Innenraum der Kapelle besticht durch das Linienspiel der schmalen Lärchenlatten der Innenverkleidung und den schrägen Raumfluchten, die in stumpfen und spitzen Winkeln aufeinander treffen.
Die Ausstattung der Kapelle führte Markus Thurner, Bildhauer und Lehrer für Bildhauerei und Objektgestaltung an der HTL Bau & Design in Innsbruck, aus: Das Porträt des seligen Engelbert Kolland entwarf und fertigte der Bildhauer aus 1321 Holzteilen und fünf verschiedenen Holzarten. Wie aufgepixelt formieren sich die Teilchen zum Antlitz des Patrons der Kapelle, der so identifizierbar, aber nicht zur Gänze fassbar ist. So bleibt dieses Bild für den Betrachter undeutlich und offen und kommt darin der Gestalt eines Märtyrers vielleicht am nächsten.
Ein Rechteck und eine Halbkugel aus geschichteten Lärchen- und Nusshölzern verbinden sich zum Altar, den Markus Thurner nach Entwürfen von Mario Botta ausgeführt hat. In die kreisrunde Mensa ist eine 37 x 37 cm große Steinplatte mit Granatkristallen eingelassen. Der kompakte, skulpturale Altar bildet mit dem Porträt Kollands und den beiden Fenstern die stärksten Akzente in dem von Linien und Geometrie betonten Innenraum. Markus Thurner zeigt sich begeistert vom kooperativen und aufgeschlossenen Wesen Mario Bottas, indem der international tätige Architekt von Beginn die Entwürfe des Tiroler Bildhauers akzeptierte und ihn in seine Planungen selbstverständlich miteinbezog. Mario Botta hingegen war beeindruckt von der hohen Handwerksqualität aller beteiligten Ausführenden und fand im Architekten Bernhard Stoehr von Besto zt gmbh in Jenbach einen Partner, der seinen hohen Ansprüchen an das Bauen gerecht wurde. Leicht möglich, dass Mario Botta, angetan von den idealen Voraussetzungen zur Realisation anspruchsvoller architektonischer Projekte, es mit der Capella Granata nicht bei seinem einzigen Bauwerk in Tirol belassen wird!
Dr. Veronika Berti Oberhofen, am 24.11.2013